Interview mit Dr. Claudia Drews – Wer will keine gelassenen und lösungsorientierten Mitarbeiter?

Jan 12, 2024 | Interview

Ich bin ein VUCA Native seit ich 12 Jahre alt bin. Das wurde mir klar, als ich im Sommer 2023 die VUCA Experten-Ausbildung der Corssen-Drews-Academy in München absolvierte. 

Durch meine Kindheit in der DDR und meine Teenagerzeit mitten in der Wende rund um 1989 erlebte ich schon sehr früh direkt, was VUCA heisst und wie ich darin mein Leben gestalten kann.

Völlig fasziniert von diesem Thema und seinen Möglichkeiten interviewte ich im Herbst 2023 Dr. Claudia Drews, eine meiner Ausbilderinnen. Dieses Interview teile ich hier mit Dir. 

Meine 3 wichtigsten Erkenntnisse daraus sind:

  • VUCA geht uns alle an.
  • Es gibt so viele Möglichkeiten, mitzugestalten.
  • Es gibt Menschen, die sich damit richtig gut auskennen.

Wer bist Du und warum tust Du, was tust Du?

Mein Name ist Claudia Drews. Ich bin ein geborenes Nordlicht und meine Besonderheit, die mich mein Leben lang begleitet, ist, dass ich ein eineiiger Zwilling bin. Ich habe eine Zwillingsschwester und man sagt so schön: „Der Vorteil eines Zwillings ist, man ist nicht alleine. Der Nachteil eines Zwillings ist, man ist nicht alleine.“

Ich musste schon super früh, in den ersten 19 Jahre meines Lebens, lernen: Wie komme ich eigentlich mit jemanden anderem klar, den ich jetzt nicht hier wegschubsen kann? Das hat mich sehr geprägt. 

Mein beruflicher Hintergrund ist eine klassische Karriere. Zuerst habe ich Wirtschaftswissenschaften studiert, in der Automobilindustrie Fuß gefasst und dort durfte ich tatsächlich alle Rollen leben. 

Darum mache ich das, was ich heute mache. Ich habe in vielen Rollen gearbeitet: Sachbearbeiterin, Expertin, Projektleitung, Teamleiterin, Abteilungsleiterin. Ich habe alles durchmachen dürfen und bin heute selbständig. 

Ich durfte Firmen gründen, habe tolle Geschäftspartner, hab die unterschiedlichsten Produkte oder Themen, die ich begleiten darf und von daher verstehe ich auch immer mehr, warum ich das tue, was ich tue. 

Ich bin unglaublich neugierig. Ich will alles wissen. Ich will alles erleben. Ich erlebe dann aber auch alles. Und übrigens: das Gute, das Schlechte oder das Schwierig, das Herausfordernde ist nicht unbedingt schlecht. Diese Neugierde, dieser Wissensdrang treibt mich an, warum ich die Dinge tue. 

Ich bin Autodidaktin und kann mir alles ganz schnell anlernen und aneignen. Und das passt gut zu meinem zweiten Antrieb: anderen zu helfen, andere zu unterstützen, andere zu entwickeln, weil ich die Dinge oft selber schon erlebt habe. 

Und weil ich ich mir sowieso schon Neues lerne, bin ich dann ein sehr guter Sparringspartner.

Wie würdest du einem Kind VUCA  erklären Und das, was die VUCA – Experten:innen machen, die Ihr ausbildet?

Wir fangen mal für die an, die VUCA überhaupt nicht kennen. Ich erkläre es zuerst für die Erwachsenen.

VUCA ist ein englisches Akronym. 

V steht für Volatilität. Für diese permanenten Schwankungen und Veränderungen, die tatsächlich in den letzten zehn Jahren an Anzahl und Dichte um ein Vielfaches zugenommen haben. 

U steht für Uncertainty, d.h. für Unsicherheit. All das macht uns alle auch unsicher. Wir müssen uns entscheiden. Wir müssen schneller reagieren. 

C steht für Complexity also Komplexität. Und die Welt ist komplexer geworden, nicht zuletzt durch die Digitalisierung. 

A steht für Ambiguity, das heißt für die Mehrdeutigkeit. Das war früher schon ein bisschen klarer. Da habe ich B gemacht und C ist herausgekommen. Jetzt kann auch schon mal D herauskommen. 

Die Welt ist so schnelllebig geworden, dass sogar nach 20 Minuten schon jeder Plan, den du machst, hinfällig sein kann. Das heißt, da sind so viel Einflüsse und alles wird extrem mehrdeutig. 

Das beschreibt den Druck, in dem wir leben. 

VUCA kommt aus den 70er Jahren. Damals hat die IT-Branche, also die Softwareindustrie schon unter diesem Druck gearbeitet, unter vielen Unsicherheiten, permanenten Veränderungen. 

Der Begriff ist also nicht neu. Seit ca. zehn Jahren stecken wir da drin, dass die Menschen das spüren, dünnhäutiger werden und viel mehr Druck haben. Es gibt auch den Begriff BANI und noch drei weitere Begriffe. 

VUCA und die anderen Begriffe sind ein Ausdruck für die Umgebung, in der wir arbeiten und leben. 

Wenn ich es Deinem 5-jährigen Sohn erkläre, würde ich es so sagen. Vorweg: Wir haben alle Gefühle. Kinder sind noch viel sensibler und reagieren noch viel stärker als Erwachsene. 

Also würde ich das Deinem 5-jährigen Sohn genauso erklären. „Du, die Erwachsenen haben genauso wie Du jede Menge Gefühle und müssen bei der Arbeit mit anderen Erwachsenen spielen. Und da kriegt man auch mal eine Enttäuschung. Da reagieren die anderen Erwachsenen auch mal nicht so, wie man das erwartet hat.

Und mit diesen Gefühlen gut zurechtzukommen, das machen wir VUCA – Experten. Wir denken uns sogar noch neue Spiele aus, damit die Erwachsenen viel lustigere und coolere Spiele miteinander spielen. Und damit es nicht nötig ist, dass sie sich miteinander aufregen.“

Wie gut ist das alles erforscht oder ist das nur so ein Gefühl?

Ja, es gibt dafür Beweise, dass es nicht nur unsere subjektive Wahrnehmung ist. Es gibt richtig viele Beweise. Ein Beispiel dafür ist, die Flut an Informationen. Wir bekommen heute jeder im Durchschnitt ca. 6.000 Information pro Tag. Und wenn Du ein durchschnittlicher, eher fauler Social Media User bist, dann prasseln also ca. 6.000 Informationen pro Tag auf Dein Gehirn ein.

Du brauchst aber 98 % gar nicht. Du brauchst nur 2 % davon. Wir haben eine so starke Informationsdichte durch die verschiedensten Medien. Du gehst durch die Stadt, die E-Mails, WhatsApp, deine ganzen Kommunikationskanäle. Da prasselt viel auf uns ein.

Ein Mensch, der nur wenige Medien nutzt, sich z.B. schon in seinen Garten zurückgezogen hat und nichts mehr macht, hat vielleicht etwas weniger Informationen zu verarbeiten.

Zum Vergleich: vor 100 Jahren hat ein Mensch 6.000 Informationen pro Jahr zu verarbeiten. Da musstest Du schon am Sonntag nach der Kirche gucken, was da am Brett stand, was da jetzt Neues kommt. 

Mit der Erfindung der Tageszeitungen gab es dann natürlich mehr Informationen. Aber das hieß jetzt auch nicht, dass sich jeder eine Tageszeitung geleistet oder sie gelesen hat. Viel wichtiger war der Informationsaustausch im Dorf oder bei der Arbeit. 

Das ist ein Riesenunterschied, 6.000 Informationen pro Tag oder pro Jahr. Und es gibt ganz viele wissenschaftliche Beweise dafür, unter welchem Druck wir leben. 

Wir haben es uns in den 90er Jahren schwer gemacht. Da gab es das ganze Thema Lean Management, die leane Welle alles zu optimieren. Wo früher manchmal vier Leute einen Job gemacht habt, hieß es, das kann jetzt auch einer machen. 

Manche Dinge waren vielleicht berechtigt, aber viele auch nicht. Wir kommen aus dem Optimierungswahn. Und dann kommen Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, New Work, unterschiedliche Ansprüche, perfektionistischer Wahn dazu. 

Natürlich auch unter uns Frauen. Jetzt müssen wir arbeiten UND die Kinder erziehen. Da kommt ganz viel Druck zusammen, und der ist nachweislich tiefer und um ein Vielfaches stärker. All das hat sich in den letzten zehn Jahre nach und nach aufgebaut.  

woran merkst du, dass die Ausbildung wirkt?

Zuerst merke ich es, wenn die Teilnehmenden die Basisdinge verstanden haben. Das sind zum einen die Lehren von Jens Corssen, der aus der Verhaltenstherapie kommt, aus der Persönlichkeitsentwicklung. 

Zum zweiten sind das die Erkenntnisse, wie Organisationen ticken und wie Veränderungen ablaufen. Was ist in meiner Arbeitswelt alles gerade los? Wenn sie die Prozesse verstanden haben, kommen unsere Teilnehmer in eine schöne neue Gelassenheit, Zeit und positive Gestimmtheit

Man versteht das, was um einen herum ist und man kann fürs Erste akzeptieren, dass es so ist, wie es ist. Diese Gelassenheit und diese positive Gestimmtheit bringt uns dazu, in einem Zustand zu sein, wo wir viel mehr Kraft, Zeit und Energie übrig haben. 

Wir kämpfen dann gegen nichts mehr, wofür es sich auch nicht lohnt zu kämpfen, sondern haben all die Kapazitäten, um neue Lösungen für uns selbst, für unser Umfeld und auch im Beruf zu finden

Daran erkenne ich, wie wirksam unsere VUCA – Ausbildung ist. Ich sehe, wie unsere Teilnehmenden aufblühen und wie sie ein paar mehr Haken hinter Fehlannahmen machen können oder irgendwelche Muss – Annahmen, die nur in ihren Köpfen sind, loslassen können. 

Denn es gibt noch eine zweite Gruppe Menschen. Die, die das alles unglaublich bedrohlich finden und sich am liebsten wegducken würden. Das ist ein eher kindliches Verhalten. Aber wenn ich nicht hinschaue, ist das Problem ja nicht weg. Als Erwachsene können wir nicht unendlich wegschauen.

Wo siehst du Chancen und Möglichkeiten, wenn man sich dem Thema VUCA bewusst stellt, als Unternehmen und als Mensch?

Es heißt, nur 20 % der Menschheit, sind in positiver Tendenz. Das ist die Energie der Macher, die jede Veränderung schon immer toll fanden. Das sind die, die schon immer gesagt haben: “ Jeder Druck, jede Herausforderung – her damit!” 

Wir können auch danach unterscheiden, in welchem Alter Menschen sind. Wenn du gerade in der Familiengründung bist, vielleicht gerade ein Haus gebaut hast, ist das anders, als wenn Du komplett unabhängig nur für Dich selbst agieren kannst. 

Wir Menschen können nur drei große Veränderungen pro Jahr emotional verarbeiten. Da darf auch nicht viel mehr dazukommen. Wenn du jetzt womöglich ein Haus baust, ein Kind bekommst und heiratest, dann sind das schon 3 grosse Veränderungen für Dich. 

Wenn dann aber deine Firma meint, sich groß umstrukturieren zu wollen, du bekommst einen neuen Chef, ein neues CRM Tool und in der Firma packen sie dir noch weitere 20 Veränderungen rein, dann ist das für dich ein schlimmes Jahr. Das schafft man kaum noch. Und die Überforderungstendenzen steigen.

Das heißt, was bedeutet es, sich mit VUCA zu beschäftigen? Es bedeutet vor allem, den Dreiklang zu kennen und zu verstehen. Dann kommen wir dazu, es anwenden zu können. Etwas, das ich verstanden habe, auch umsetzen zu können. 

Wenn ich dann Methoden, Tools oder etwas an die Hand bekomme für mich. Und die dritte Phase ist das Lehren, Weitergeben und andere Menschen anleiten. Diesen Dreiklang muss man immer durchgehen, um aktiv sein zu können und nicht reaktiv. 

Sich mit VUCA zu beschäftigen, es zu kennen und zu verstehen, ist der erste Schritt. 

Ein nächster Schritt ist es, passende Methoden und Tools zu haben, die mir helfen, persönlich und in der Arbeitswelt mit den VUCA Themen zurechtzukommen. 

Das Ziel ist immer, dass ich all das dann auch umsetzen kann und die VUCA Welt okay ist für mich. Das musst du dann auch nicht lieben, aber “okay” ist ein guter Zustand. D.h. ich kann proaktiv reagieren und ich spüre, dass ich es für mich im Griff habe. Das ist wirklich wichtig. 

Wenn ich es dann noch schaffe, als VUCA Expertin andere anzuleiten, andere in dieser Welt eine Hand zu bieten und zu sagen: “Komm, das ist nicht so schlimm. Ich begleite dich dadurch.” ist das ja noch besser.

Für Organisationen und den Einzelnen bedeutet das Stabilität und nicht unterzugehen. Für Organisationen hat das einen Einfluss auf die Unternehmenskultur. Wenn alle meine Mitarbeiter sich damit beschäftigen, haben wir eine Unternehmenskultur von Verständnis, des Miteinanders und von proaktivem Handeln.

Wenn das nicht passiert, dann steigt die Fluktuation, Konflikte steigen, Dünnhäutigkeit steigt, Angst steigt, Reaktivität steigt und die Leistung fällt ab. Es kann gar kein Interesse von einer Organisation sein, sich nicht mit VUCA Themen zu beschäftigen. 

Wann ist eine Firma wirklich bereit, da hinzugucken und zu sagen ja, jetzt müssen wir uns da mal drum kümmern?

Der größte Schmerzpunkt bei allen Organisationen ist gerade, dass sich der Markt gedreht hat. Wir haben gerade einen richtig krassen Arbeitnehmermarkt. Das heißt, kein Mensch muss in dieser Organisation bleiben, wenn man in alten Strukturen arbeitet oder alte Denkweisen vorherrschen, egal ob jüngere Menschen oder ältere.

Wir haben einen Arbeitnehmer Markt. Du kannst immer wechseln. Das heißt, die Unternehmen spüren schon Fluktuationen, weniger Bewerbungen und auch eine neue Haltung intern. Sie müssen sich mit dem VUCA Thema auseinandersetzen, denn die Mitarbeiter haben neue Ansprüche.

Ich als Wissenschaftlerin sage: “Der Markt hat sich gedreht.” Es gab früher einen Arbeitgebermarkt, also galten die Regeln des Arbeitgebers. Da kam natürlich auch eine gewisse Dankbarkeit und Leistungsorientierung der Mitarbeiter dazu. Ich hatte es geschafft, wenn ich es geschafft hatte, irgendwo reinzukommen, einen tollen Job ergattert hatte, weil die ja Mangelware waren. Alles, was Mangelware ist, ist natürlich dann das Spannende, das Begehrenswerte, das, was jeder haben möchte. 

Organisation möchten gute, leistungsfähige Mitarbeiter haben. Da herrscht oft der ganz große Druck. VUCA bedeutet ja auch viele Einflüsse, die zusammenkommen. Wir haben jetzt auch jüngere Generationen, die sagen, ich habe das erlebt. Bei meinen Eltern: Burn-out, Herzinfarkt, mein Vater Bankdirektor, 55, Herzinfarkt. Das möchte ich alles gar nicht so für mich. 

Dazu kommt, dass die Gehälter und das Preis-Leistungs-Verhältnis in der Welt sich seit den 2000ern verändert hat. Wir haben eine Klimakatastrophe. Ich brauche jetzt nicht noch mehr Autos. Das Konsumdenken hat sich verändert. Wir haben ganz neue Einflüsse. Organisationen müssen schauen, woher sie gute Mitarbeiter bekommen und welche Rahmenbedingungen sie den Mitarbeitern stellen. 

Das verunsichert die Führungskräfte enorm. Viele wissen nicht mehr, wie sie führen sollen, welche Methoden sie jetzt nutzen sollen. 

Die Mitarbeiter wollen sich nicht mehr nach den alten Mechanismen führen lassen. Dazu kommt noch die Fluktuation. Das ist aktuell der größte Druck auf Organisationen. Sie sagen, dieser Arbeitnehmermarkt, der zwingt mich jetzt dazu, weil meine Fluktuation steigt, weniger Bewerbungen hereinkommen. 

Andere richten sich attraktiver aus, Stichwort Employer Branding. Das geht jetzt alle etwas an. Employer Branding ist heute kein Luxus mehr.

Wo siehst Du die grösste Herausforderung bezogen auf die Gesellschaft und Organisationen?

Der Arbeitnehmermarkt verursacht den grössten Schmerz. Dazu kommt ein unglaublicher  Wettbewerbsdruck, die Digitalisierung und künstliche Intelligenz. Dinge verändern sich sehr schnell. Marketing Teams z.B. müssen gerade überlegen, wie sie arbeiten wollen. Die machen nicht einfach mehr Powerpoint, sondern geben das an den passenden Stellen in KI Tools ein und erhalten schnell Ergebnisse. Und so geht es vielen anderen Abteilungen auch. 

Wir müssen aufpassen, dass die künstliche Intelligenz und die Digitalisierung eine ganze Organisation nicht einfach überrollt. Dazu kommt, dass der Wettbewerber dadurch schneller wird oder anders arbeitet. 

Das heisst, wie wir intern arbeiten, wie effizient das ist und wie glücklich unsere Mitarbeiter bei uns sind, ist wirklich unglaublich wichtig. Und damit kommen wir wieder zu Strukturen, Methoden der Zusammenarbeit und Führung. All das geht mit den Lösungen leichter, die ich empfehle.

Ein Unternehmen kommt an vier Themen nicht vorbei, wo es sich über Lösungen Gedanken machen muss. Den Mitarbeitenden mehr Verantwortung geben ins eins dieser Themen. Aber das wollen auch nicht alle. Und das ist natürlich auch ein Problem. 

In den alten Führungsmodellen wurde top down gearbeitet. Der Chef sagte, was er haben will. Und dann haben 9 von 10 Mitarbeitern das genau so gemacht und waren glücklich damit. Das hat Sicherheit gegeben. Und der 1 von 10 stand dann quer im Stall. Heute ist das genau andersherum. 

1 von 10 findet es toll, wenn er genau gesagt bekommt, was er tun soll und macht das dann auch. 

9 von 10 haben eine ganz konkrete Meinung, wie sie etwas bewegen wollen, welchen Sinn sie im Leben und ihre Arbeit überhaupt noch sehen, wie sie miteinander zusammenarbeiten wollen, wie sie geführt werden möchten. 

Das heisst, der Wind hat sich gedreht. Ich empfehle da die vorhandenen Lösungen zu überprüfen. Inwiefern kann ich Hierarchien und komplizierte Entscheidungswege abbauen und die Selbstverantwortung des Mitarbeiters erhöhen?

Die Mehrheit will das so, aber auch nicht alle Mitarbeitenden. Wir sprechen da nicht von Produktion und Buchhaltung, wo die Prozesse und Abläufe vielleicht immer noch etwas starrer sind, aber auch dort löst sich das schon auf. 

Konkret heisst das, dass sich das Unternehmen fragen muss: Wie können agile Arbeitsmethoden im Miteinander eingeführt werden, mit denen wir die Selbstverantwortung des Einzelnen stärken?

Das ist immer damit verbunden, Strukturen zu verändern, Hierarchien abzubauen. Nur eine Führungskraft wird darunter ohne Ende leiden. Nämlich die Führungskraft, die meint alles fest im Griff haben zu wollen und jedem zu sagen, was er zu tun und zu lassen hat. 

Die kommen dann zu mir ins Coaching und lernen, dass sie besser zurecht kommen werden, wenn sie Strukturen verändern und agile Arbeitsmethoden einführen. 

Dort gibt es Rollen und Aufgaben, mit denen jeder gut klarkommt. Die Führungskraft macht dort keine Vorgaben mehr, sondern es wird die beste Lösung für den Kunden oder den Auftrageber erarbeitet. Danach kann der Wechsel zu selbstorganisierten Arbeitsmethoden weitere gute Lösungen für die Organisation bringen. Und da liebe ich es sehr, was ich aus meiner Kindheit als Zwilling mitgebracht habe. 

Forscher haben festgestellt, dass in den letzten Jahren einen Grund des Scheiterns in Organisationen ganz oben steht, den es früher nicht gab. Früher galt immer, wenn Dinge scheitern, gab es nicht genug Geld, d.h. keine Ressourcen, zu wenig Mitarbeiter, kein Management Commitment. Man hat die Leute einfach mal machen lassen. 

Aber wenn “die da oben” das nicht wollen, scheitert alles. Oder die Ziele waren gar nicht klar. Wohin wollten wir überhaupt mit dem Thema? Dann scheitert das auch. Das waren die Top vier Gründe, die sich ewig abgewechselt haben. 

Seit einigen Jahren gibt es ein Top eins, warum Dinge im Unternehmen scheitern. Das ist, dass der Verantwortliche hinschmeißt, keinen Bock mehr hat, Burn-out hat oder einfach nicht mehr kann. Und das ist neu. 

Deswegen schlage ich meine zweite Lösung vor, Duos und Doppelspitze. Es kann im Kleinen anfangen, sich als Sparringspartner eine Aufgabe zu teilen, z.b. ein Projekt oder eine Teamleitung. Aufgabe zu nehmen. Das geht in allen Hierarchiestufen, denn so kann jeder Einzelne wirklich ausspannen, wenn er im Urlaub ist. 

Er hat für alle Probleme, die plötzlich komplex und gross sein können, einen tollen Sparringspartner für die Frage: “Wie lösen wir das jetzt?” Mitarbeiter üben dann ihren Druck automatisch nicht mehr nur auf einen Menschen aus. Sie wissen, da sind zwei Menschen mit unterschiedlichen Kompetenzen und mehr Lösungsmacht. Das beruhigt alle ungemein. 

Ich trainiere das seit meiner Kindheit mit meinem Zwilling. 

Firmen müssen sich lösen. Früher haben Doppelspitzen tatsächlich nicht funktioniert. Das kennen wir ja auch aus der Politik. Das Ego des Einzelnen hat nicht gepasst. Bonis und das gesamte Vergütungssystem haben nie dazu gepasst, dass das funktioniert. 

Natürlich müssen wir die Stellhebel kennen und beachten. Das ist auch Inhalt unsere VUCA Ausbildung:

Was braucht es, damit zwei Menschen gut zusammenarbeiten können und die Egos nicht nur aufeinanderprallen? Das ist sehr spannend. 

Eine weitere Lösung ist für mich, dass sich jede Führungskraft einen neuen Führungsstil aneignet. Aktuell sind viele Führungskräfte stark überfordert. Ein andere Weg ist Servant Leadership, d.h. sich an dem Potenzial und teilweise an der Freude des Anderen auszurichten. 

Die Akzeptanz von oben nach unten ist schwierig. Aber zu fragen: “Wo willst Du denn hin? Wohin kann ich Dich entwickeln?” ist sehr nützlich für die bessere Zusammenarbeit in der VUCA Welt. 

Diese Aufgabe muss gemacht werden. Aber wie kannst Du selbst daran wachsen?” ist z.B. eine gute Frage. Führungskräfte lernen so, sich über das Potenzial des Gegenüber auszutauschen. 

Das ist ein Trick für Führungskräfte, die verwirrt sind. Sie haben das Gefühl, keiner macht hier mehr das, was ich will. Wenn er die Frage so stellt, beschäftigt er sich mit der Entwicklung des Mitarbeiters. 

Das Letzte, das mir zum Thema Lösungen noch besonders wichtig ist, ist das Thema Persönlichkeitsentwicklung. Die ist in Firmen oft den Führungskräften vorbehalten. Oder denen, die sich Coachings leisten können und wollen. In Organisationen (was richtig ist) entwickelt man erst die obersten Führungskräfte, danach folgen die Hierarchien darunter. 

Organisationen sollten kein Halt machen vor allen Mitarbeitern. Denn wir haben jetzt das Phänomen, dass wir zum Teil bereits gut ausgebildete Führungskräfte haben, die schon viel in der Persönlichkeitsentwicklung gemacht haben, die gelassen und positiv gestimmt bleiben, im Inneren aufgeräumt sind und mit den Dingen um sie herum schon klarkommen.

Das triggert aber jeden anderen Mitarbeiter. Jens Corssen sagt zu mir: “Mensch Claudia, früher habe ich Vorstände und Spitzensportler gecoacht, die Druck aushalten müssen. Jetzt habe ich auch den heulenden Praktikanten, der die VUCA Welt und den Druck nicht mehr aushält.”

Das ist jetzt überall angekommen in Firmen, auf jeder Ebene. Ein Mitarbeiter, der einen super gelassenen Führungskraft sieht, der denkt: “Der nimmt mich und hier doch gar nichts mehr ernst.” 

Nochmal: Organisationen dürfen da nicht Halt machen. Persönlichkeitsentwicklung ist wirklich ein ganz, ganz wichtiges Thema. Bitte stoppt nicht bei den Führungskräften. 

Wie kommen Unternehmen von Müssen ins Wollen, um sich mit VUCA und seinen Möglichkeiten zu beschäftigen?

Es geht um das Verhalten der Menschen. Wir haben kulturell gesehen auch inoffizielle Regeln

  • Wie geht Informationsweitergabe, wie geht Kommunikation miteinander
  • Welche Entscheidungswege haben wir? 
  • Welche Autonomie- und Verantwortungsregeln haben wir denn hier? 

Das ist oft inoffiziell geregelt oder wird inoffiziell anders gelebt, als es offiziell geregelt ist.
Es ist in der Kultur verankert. 

  • Wie ist denn das Wir-Gefühl, die Fehlerkultur
  • Wie gehen wir denn hier mit Kritik um? 
  • Was machen wir denn mit diesen ganzen New Work, Homeoffice und anderem neuen “Gedöns”

Das sind alles Bestandteile einer Unternehmenskultur. 

Je mehr die Mitarbeiter in Persönlichkeitsentwicklung und den neuesten Methoden und Führungstrends ausgebildet sind, umso höher hebst Du Deine Unternehmenskultur. 

Wer will denn nicht gelassene Mitarbeiter haben, die lösungsorientiert denken? Also spätestens dann solltest Du vom Müssen ins Wollen kommen. 

Wie hast Du Deine persönlichen Change von der Corporate Welt ins Unternehmertum gestaltet? 

Zuerst mal  – ich wollte das. Kündigen aus dem Großkonzern Daimler und seiner Umgebung, das hiess, kündigen aus einem sicheren, stabilen Job im Schwabenländle.

Es war mein Wunsch, mich selbstständig zu machen. Ich war sehr dankbar für alles, was ich gelernt hatte in allen Stationen, z.B. auch als Führungskraft in der Organisation. Aber ich wusste, dass ich die Corporate Welt nicht für immer bis zur Rente machen würde.

Und dann bin ich in die Selbstständigkeit gegangen. Mir ist das gelungen durch gute Coaches und ganz, ganz tollen Geschäftspartnern. Ich bin sehr dankbar für die Begleitung und die Gründung von Unternehmen mit Partnern. Da ist wieder das Thema Duo und Doppelspitze, das ich schon immer hatte. 

Es gibt den schönen Spruch: “Willst du schnell Erfolg haben, geh allein. Willst du langfristig und nachhaltig Erfolg haben? Geht zusammen mit anderen.” 

Dr. Künzel ist einer meiner ersten Coaches und jetzt auch mein Geschäftspartner in der Unternehmensberatung. Jens Corssen ist seit einigen Jahren auch ein wundervoller Geschäftspartner. Wir durften zusammen die Akademie gründen. 

So wirst Du Unternehmerin: wenn Du Dich in dem Umfeld von anderen Unternehmern, gut begleiten lässt und zusammen mit ihnen eintauchst in die neue Welt.  So ganz allein hinterm Ofen, passiert da nix, bzw. ist oder kann sehr sehr zäh sein, allein schon durch die Vielzahl von Informationen.

Wie und wo findet man solche Begleiter?

Viele hatte ich vorher in meinem beruflichen Kontext kennengelernt. Die Türen gehen dann auf einmal auf. Viel Geduld und Spucke mitbringen, hilft natürlich auch sehr in die Selbstständigkeit. Gelegenheiten nutzen. Türen gehen auf, z.B. auf Netzwerkveranstaltungen. 

Bei mir war es so, dass ich in meinem Angestelltenverhältnis ganz tolle externe Partner kennengelernt hatte. Und die sind alle Unternehmer und in diesem Umfeld bin ich dann geblieben.

Dann gilt es, einfach mal zu machen. Sich einen Plan zu machen und taktisch vorzugehen, finde ich immer gut. Aber bitte nicht dran festhalten, es ändert sich sowieso alles wieder. 

Die Türen, die aufgehen, gilt es zu nutzen und durchzugehen. Mit offenen Augen durch die Welt gehen, ist sehr hilfreich. Es gilt, Möglichkeit zu erkennen, Risiken einzugehen und dann einfach mal zu machen und da schliesst sich der Kreis. 

Das ist VUCA, mit dem, was ist weiterzugehen. 

Nach dem Interview fragte ich Claudia ganz spontan, ob sie mich als Mentorin weiter begleitet. Und sie hat ja gesagt!

Anfang Dezember 2023 trafen wir uns in München (bei ca. 50 cm frisch geschneitem Schnee).

Als Dankeschön für dieses Interview hier lud ich sie zum Frühstücken ein. Danach setzten wir unser Mentoring (mit der Bar als Kulisse) in ihren wunderschönen Räumen direkt am Münchner Marienplatz fort.

#mortocom. Ich freu mich auf alles.

Hoi,
ich bin Christine.

Ich bin VUCA-Expertin, Coachin und LEGO Serious Play® Facilitatorin.
Wenn Du mit dem in Frieden kommen willst, was Dich jetzt gerade stresst, dann lass uns zusammenarbeiten.

Wie wäre es, wenn Du von dort aus gestalten kannst?
Ich begleite Dich mit alltagstauglichen Schrittli, bis Du das geschafft hast.

Schreib mir. Ich freu mich.

Erfahre mehr über mich und meine Vision für dich.

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