Ich war 12,5 Jahre alt, heute vor 33 Jahren am 9.11.1989. In meinem kleinen Dorf in Thüringen schwer damit beschäftigt, endlich zu den Grossen zu gehören. Hatte Millionen Fragen im Kopf – vor allem über Jungs. Ist heute auch noch so. Na gut, nicht mehr nur über Jungs.

Meine Lieblingsfächer waren Geschichte und Geografie. Deutsch mochte ich auch, fand es aber völlig bekloppt, dass wir Gedichte interpretieren sollte. Der Dichter, so stellte ich mir vor, dreht sich doch im Grabe um, wenn er hört, was wir da aus seinen Worten machten. 

Am 9.11.1989, also heute vor 33 Jahren, wurden die Grenzen der DDR geöffnet. Meine Klassenlehrerin Frau Beyer sagte in den Tagen oft zu uns: „Passt gut auf jetzt, ihr erlebt eine Revolution.“ 

Meine Mutter weinte am Morgen, als sie uns für die Schule weckte. „In Suhl schiessen sie.“ Ich sehe sie noch in meiner Zimmertür stehen mit diesen Worten im Mund. Sie hatte riesengrosse Angst, dass es kippt in einen Bürgerkrieg. 

In einer langen Schlange, meinem ersten Stau, fuhren wir am Wochenende dann in den Westen. An der Grenze in Coburg weinten meine Eltern beide. Mein kleiner Bruder verstand die Welt nicht mehr. Ich ehrlich gesagt auch nicht. Ich spürte, dass da was ganz Wichtiges vor sich geht. Ich fühlte die tiefe Freude überall über Wiedersehen und Neuentdeckungen, die so unverhofft kamen. 

Bei den Bildern aus dem Iran denke ich oft an diese Zeit zurück. Auch bei uns hatten die Menschen genug von allem und standen auf. Ohne zu wissen, wie es ausgehen würde. 

Ich bin unendlich dankbar, dass ich jung genug und alt genug war damals. 

Ich bin unendlich dankbar für alles, was dadurch möglich wurde in meinem Leben.

Ich bin unendlich dankbar, für alles, was ich wegen dieser Tage damals
heute alles gestalten kann.

Vor allem bin ich dankbar für jeden Menschen auf der Welt, den ich deswegen treffen durfte. Es ist immer noch nicht selbstverständlich für mich. Und das ist gut so. Der 9.11. ist jedes Jahr ein besonderer Tag für mich und wird es immer bleiben. All das hat mich zu dem Mensch gemacht, der ich bin. Alles. 

Und ich wage einen Wunsch an Dich. Mach es Menschen leicht, die Dir begegnen. Du weisst nicht, welche Grenzen sie dafür überschritten haben. 

Wie das geht? Mit einem Lächeln. Mit freundlichen Worten. Mit echtem Interesse. Wag es. Gleich heute. Mach Du den Unterschied. 

Für uns alle. 
Für weniger Grenzen.
Für mehr Frieden.

Dieser Text floss am Mittwochmorgen, 9.11.2022 einfach so aus meinem Herzen. Zuerst veröffentlichte ich ihn auf LinkedIn, dann auf Facebook und auf Instagram ging ich dazu live. Er hat aktuell auf LinkedIn ca. 77.000 Ansichten, fast 900 Likes und 116 Kommentare. Die persönlichen Nachrichten dazu noch gar nicht gezählt.

Das zeigt mir, dass das Thema Frieden und die besonderen Tage damals bei ganz vielen Menschen wichtige Themen sind. Ich freue mich sehr über die Sichtbarkeit für diese Themen. Ich freue mich, dass Menschen inspirieren konnte. Ich freue mich, dass ich etwas beitragen konnte, den Frieden in ihnen zu nähren.